Diskussion

@Matze
Ich denke es hat was mit der menschlichen Uhr zutun? Dass sie abnormal ist. Zumindest habe ich das bei Wikipedia, kurz überflogen ;)
Ja ok Krankheit ist vielleicht etwas arg ausgedrückt, aber ich habe es ja nicht umsonst in Anführungszeichen gesetzt :D
 
Hmm, ich meinte ja nur weil dort genauso steht, dass es keine Krankheit ist. Aber das ist ja jetzt auch nicht wichtig, oder?
 
Also zunächst einmal:
Den meisten Menschen erscheint es krank und mir wäre ehrlich nichts lieber, als wenn es eine Krankheit wäre. Denn eine Krankheit lässt sich therapieren. Leider ist es eine genetische Veranlagung und damit eher eine Anomalie bzw. Mutation. Und die lässt sich eben nicht abschaffen, ohne den restlichen Körper in Mitleidenschaft zu ziehen.
Es gibt verschiedene Therapiemöglichkeiten, aber die bislang bekannten helfen mir alle (leider wirklich alle ) auf Dauer nicht weiter.

Daß ich hier so offen darüber rede hat einen ganz einfachen Grund:
Wie du schon sagtest, Matze, haben noch sehr wenige davon gehört. In der Schweiz z.B. ist die Thematik weitaus verbreiteter. Ich will nicht Mitleid einheimsen oder so was, sondern einfach nur versuchen anderen Betroffenen zu helfen, in dem ich davon erzähle und das Thema mal etwas verständlicher mache.

Für Betroffene ist es nämlich eine äusserst derbe Angelegenheit. Das fängt schon mal in der Schule an. Als Jugendlicher mit dieser Veranlagung hast du keine Chance, dem Unterricht in normalem Masse zu folgen. Ich selbst war an einer privaten Ganztagsschule und habe ungelogen und wortwörtlich den Vormittagsunterricht im Schlaf hinter mich gebracht. Meine mündlichen Noten waren entsprechend, aber ich konnte es mit benoteten Hausaufgaben und Klausuren genug ausgleichen, dass es für ein Abitur reichte.
Später geht es fröhlich weiter, z.B. im Privatleben.
Alle anderen unternehmen tagsüber was: Picknick, Urlaub, Einkaufsbummel. Nachts kannst du das vergessen. Besonders Behördengänge, Einkäufe und Bankbesuche werden da zu einer regelrechten Herausforderung.
Und die Familie reagiert auf so etwas meist auch wie der Durchschnittsbürger, nämlich mit völligem Unverständnis.
Ein weiteres Problem ist ja auch meist, dass die Betroffenen selbst gar nicht wissen, was los ist. Denen wird von ihrer Umwelt immer wieder vorgebetet, dass sie sich "nicht so anstellen" sollen und dass sie "das Spinnen aufhören" sollen und bestenfalls "wenn man sich wirklich umgewöhnen will, dann kann man das auch". Ja, klar. Am Ar***h der Hammer. Ich selber habe diese Sprüche jahrzehntelang gehört und verdaut, bis ich schließlich felsenfest der Meinung war, dass ich einfach nur willensschwach und bekloppt bin.

Dass die Sache bei mir überhaupt entdeckt werden konnte, war ausschließlich einer ziemlich großen Anzahl glücklicher Zufälle zu verdanken. Ich hatte schon sehr früh Techniken des autogenen Trainings und der Mediation gelernt und auch angewendet. Deswegen konnte ich mich geistig einigermaßen fit halten und der körperliche Verfall trat bei mir im Vergleich zum geistigen Verfall deutlich genug zu Tage, dass ich zum Arzt geschickt wurde. Der war auch nicht doof und schließlich gelangte ich in die Psychatrie und das daran angeschlossene Schlaflabor.

@Matze: Und damit kann ich dir auch ein bißchen auf deine anderen Fragen antworten:
Nachtmenschen gibt es nicht wenige, aber meist ist die Phasenverschiebung im Bereich von ca. 1-4 Stunden, also nichts, wo man nicht mit Gewöhnung und Gleitzeit gegen an käme. Ab einer Verschiebung von 6-7 Stunden kann man von Extremfällen sprechen und von denen gibt es geschätzt 1 auf 100.000 - 200.000. Aufgrund der oben geschilderten Problematiken fallen diese jedoch nicht auf.
Meistens haben sie keinen oder nur einen sehr schlechten Schulabschluß, keine Chance auf besser bezahlte Jobs und damit auch keine Möglichkeit, verschiedene Ärzte "mal auf Verdacht" zu konsultieren. Nicht selten werden auch Selbstmedikationen vorgenommen (wie in meinem Fall das Coffein). Mit mangelhafter Bildung werden jedoch auch diesbezüglich gesundheitliche Bedenken gar nicht erst wach. Ich habe z.B. aus gutem Grund und mit vollem Bewußtsein immer die Finger gelassen von Ecstasy oder Speed. Nicht wegen irgendwelcher Horrormeldungen in den Medien, sondern weil ich eben den Coffein-"Mißbrauch" für meine Belange dermaßen maximieren konnte, daß ich ohne hormonelle Aufputschmittel ausgekommen bin.
Andere haben diese Chance nicht. Die schlucken, rauchen und spritzen dann alles, was nicht niet- und nagelfest ist, in der Hoffnung, dass es ihnen irgendwie hilft. Und was wird dann im Krankenhaus eingeliefert? Garantiert kein verzweifelter Nachtmensch, der Drogen mißbraucht hat, sondern ein Junkie, der sich aufgrund seines Drogenkonsums Körper und Hirn zerstört hat. Die Ursache (Nachtaktivität) tritt in den Hintergrund und die Symptome (Selbstmedikation, Drogenmißbrauch) wird als Ursache für die weiteren Schäden angenommen.
Es müssen aber gar nicht Drogen sein. Es genügt schon, der absolute Zwang, immer weiter und weiter tagaktiv zu sein, unterstützt durch die gesellschaftliche Normierung. Den Körper kann der Nachtmensch schon so weit peitschen. Aber den Verstand zerlegt es dann irgendwann. Und dann manifestieren sich die feinsten Sachen. Psychosen, Neurosen, Paranoia, Schizophrenie, Depressionen (bis hin zum Suizid), das gesamte Spektrum des "Wahnsinns" öffnet sich da. Und ich weiss, wovon ich rede.
Wenn der Nachtmensch sich dann nicht einfach aufgrund der Depressionen aufhängt/erschiesst/vergiftet, dann rastet er irgendwann schlicht und ergreifend aus. Berühmte Worte dazu: "Das war immer so ein ruhiger Nachbar, ein netter Mensch..."
Und dann findet sich derjenige in der Psychiatrie wieder. Übliche Diagnosen sind dann "streßbedingte Traumata" und dergleichen. Daß der Patient den Streß aber aufgrund permanenter und chronischer Übermüdung nicht vertragen hat und deswegen durchgedreht ist - das wurde oftmals nicht erkannt. Einfach Klappe auf, Haldol rein, und schon ist der Irre ruhig.
Aber zumindest auf diesem Sektor der Diagnostik hat sich was getan.

Als meine Untersuchung abgeschlossen war, haben mich behandelnder Arzt und die Chefärzte der Psychiatrie und der Neurologie persönlich verabschiedet. Noch heute habe ich die Worte im Ohr: "Viel Glück in Ihrem weiteren Leben." Die baten mich noch darum, meine Untersuchungsdaten zwecks Forschung veröffentlichen zu dürfen (dem ich sofort zugestimmt habe). Auch mein derzeitiger Arzt hat die entsprechende Einwilligung und hat mir schon gesagt, dass so ein Fall wie ich mal "so richtig interessant" ist, weil ich nicht nur extrem phasenverschoben sondern
- ansprechbar
- lebensfähig
- arbeitend
und
- in einer funktionierenden Lebensgemeinschaft
bin.

Und davon gibt es maximal eine Handvoll in Deutschland - so weit ich das weiß.

Wegen Arbeitsrecht und so habe ich mich mal mit einem entsprechend spezialisierten Anwalt unterhalten.
Der meinte, dass diese ganzen Regelungen (Verbot der permanenten Nachtarbeit, Nachtzuschlag etc.) einerseits dem Erhalt der Gesundheit des Arbeitnehmers dienen, andererseits außergewöhnliche Arbeitsbelastungen entsprechend honoriert werden sollen. Wenn bei mir nun die Vorzeichen Tag/Nacht vertauscht sind, so könnte ich sehr wohl entsprechend meinen Arbeitgeber verklagen (z.B. daß ich entweder "Tageszuschlag" haben will oder in der Nacht arbeiten) und hätte durchaus Chancen, damit durchzukommen.

Aber was glaubst du, passiert, wenn ich das real mache? Dann sitze ich sofort auf der Strasse.

Natürlich dachte ich auch einige Zeit lang, es gäbe doch genügend Jobs (Krankenhaus, Administration etc.), wo v.a. Nachts gearbeitet werden muss, da müsste ich doch was finden. Pustekuchen. Denn im Standardarbeitsrecht - da kennt sich jeder Personaler bestens aus aber statt (auch mit vorliegendem ärztlichen Attest und Bericht!) eine Person für permanente Nachtschicht einzustellen werden lieber zwei Leute in Wechselschicht genommen. Was der Bauer (also Personalleiter bzw. Geschäftsführer) nicht kennt, das frisst er nicht. Ich habe auch schon versucht, mich als Freiberufler durchzubeissen, aber anscheinend war ich dafür zu dämlich, die Aufträge, die ich reinbekam reichten gerade so, dass ich nicht verhungerte.

Bei weiteren Unklarheiten einfach fragen. :)
 
Ich bin Softwareentwickler. Blöderweise ist unsere Firma einem Konzern unterstellt, dessen Vorstand das Internet noch immer für eine Neuerung des Teufels hält (kein Witz) und wir deswegen offiziell weder Email noch Internetanschluß haben dürfen, wegen der pöööhsen Häcka, die im pöööhsen Internet lauern. :suspekt:
Ist manchmal eine regelrechte Lachnummer, aber bei einem solchen Vorstand kannst du dir evtl. vorstellen, wie das aussieht, wenn es einer wagt, gesundheitlich aus der Reihe zu tanzen. Etwas Neues? Etwas Ungewohntes? Nichts wie weg damit. :-)
 
LOL.. jetz mal langsam... also es gibt genügend Arbeitgeber in diversen Jobs die sich glücklich schätzen können wenn sie ne Nachtschicht haben die nicht 1x im Monat krank wird.
Du bist der geborene Nachtarbeiter... wieso bewirbst du dich nicht mit dieser "Annomalie" und sagst du würdest gern Nachts arbeiten und du wirst nie krank.. ?!
Allein bei uns im Krankenhaus als Nachtwache würdest du schon 2 Jobs auf einmal bekommen glaub ich... vorallem verdient ne Nachtwache in 4 Tagen genau so viel wie ein normal Arbeitender in 6...
 
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