@saschaf:
Nope, geistesgeschichtlich ist Diskutieren eine Technik, die gewisse Module aufweist:
Dialektik, Logik und Hermeneutik.
Geredet haben alle Zivilisationen, diskutiert hat nur der Westen.
Die Diskussion entstand aus der Disputatio -> der Magisterprüfung der westlichen Universitäten, wobei ein freies Thema nach den Regeln der Logik auf dem Boden der anerkannten Hermeneutik (->Erkenntnistheorie) dialektisch disputiert wurde.
Da die Art der Prüfung zunächst in der Theologie bzw. christlichen Philosophie angewandt wurde, bestand die Dialektik in der Übernahme der Rollen des Advocatus Deus und des Advocatus Diaboli durch zwei prüfende Professoren, während ein dritter die Einhaltung der Regeln der Logik überwachte, und auch für die Überprüfung der hermeneutischen Gültigkeit der getroffenen Aussagen zuständig war.
Der Prüfling musste zB. zu einem moralischen Thema eine Aussage treffen, die beide Advokaten jeweils angriffen - der teuflische Advokat versuchte die Aussage zu 'nichten' indem er die zB Gültigkeit der Prämissen angriff, während der Anwalt Gottes versuchte nachzuweisen, das die getroffene Aussage dem Teufel dient, weil .....
Der arme Prüfling nun musste sich gegen beide Kritiken verteidigen, ohne unlogisch zu werden, oder aber den Boden der anerkannten Erkentnisstheorie zu verlassen.
Je nachdem wie er sich dabei schlug, und wieviel er von seiner ursprünglichen Aussage bis an das Ende der Prüfung retten konnte fiel die Bewertung aus.
Denn These - Antithese - Synthese wurde in diesem Konstrukt von der Synthese her betrieben. Obige Beschreibung verallgemeinert das ganze ein bisschen, aber ich will ja hier kein Buch schreiben.
Aus dieser Tradition entwickelte sich die Diskussion bis hin zum 'herschaftsfreien Dialog' der Frankfurter Schule des letzten Jahrhunderts, und ihre Merkmale bestanden schon immer in der Benutzung allseitig anerkannter Axiome (Beweisfreie Grundannahmen gelten nur, wenn alle Parteien sie anerkennen), in der Anerkenntnis der Regeln der allgemeinen und speziellen Logik (Syllogistik, Synthesis), des Kompromisses und der Hermeneutik, das heisst der Regeln über die Einführung, Beschreibung und Gültigkeit 'erkannter Dinge'.
Viele Programmiertechniken sind übrigens 1 zu 1 Umsetzungen von scholastischen Lehrsätzen über die Struktur der Disputation aus dem 12.Jhdt..(if .. else etc...)
Diese Technik unterscheidet sich dabei von allen anderen uns bekannten, verschriftlichten Methoden des Redens, der Gewinnung von Handlungsanweisungen und der Entscheidung, wie wir sie aus anderen Kulturen kennen. Für viele andere Kulturen gilt : Das Argumentum ad Authoritas (aus der Authorität) und das Argementum ad Aukthoritas ( aus der Autorenschaft) wird ausgelegt, abgewogen und gegeneinander gestellt, aber selten zur Synthese gebracht und niemals an sich in Frage gestellt.
Konfuzius zB. ist ein mit Sokrates vergleichbarer Philosoph, doch seine Lehren sind alle in der Form von Schüler fragt, Lehrer antwortet abgefassst, das heisst, alle seine ANtworten beziehen ihre Berechtigung ad Authoritas, aus seiner Authorität als Lehrer, und alle Konfuzianer brachten ihren Schülern die Lehren des Konfuzius ad Aukthoritas das heisst aus der Authorität der Autorenschaft heraus bei.
Das unterscheidet sich wesentlich von den Methoden des Sokrates, welcher versuchte, die Dinge durch eine Erkundung des Existenten zweifelsfrei und unbestreitbar zu machen.
Zunächst untersucht er, welche gemeinsamen Ansichten gelten (Axiom), dann zerlegt er das problem im 'Dialog' mit seinem Gegenüber solange, bis eine eindeutige Entscheidung des Sachverhaltes aufgrund der vorher getroffenen Vereinbarung über die Axiome möglich wird. Bei aller teilweise gegebenen Schlitzohrigkeit des Sokrates sind dessen von Platon überlieferten Dialogoi somit der Keim des westlichen Diskutierens und die Wurzel aller uns gegebenen Wissenschaft. Die andere Wurzel ist die Empirik, aber das ist eine andere Baustelle.
Du siehst also: Das Diskutieren ist eine genuin westliche Eigenschaft (gewesen), und wenn wir Freiheit und Demokratie sagen. meinen wir im wesentlichen: Diskutieren.
@redlama:
Das will ich dir nicht nehmen. Aber das kann dir auch niemand nehmen - musst du denn die geistigen Errungenschaften blutiger Jahrhunderte zertrümmern, um etwas zu verteidigen, das man dir mit diesen Errungenschaften gar nicht streitig machen kann ?
Musst du dir selber etwas nehmen, um etwas ganz anderes, wie diese persönliche Beziehung zu deinem Gott zu erhalten ? Fordert das dein Gott von dir ?
Das wird jetzt zu persönlich, aber wie schon gesagt, mir ging es nur um die Methode der Rechtfertigung und ich wollte lediglich vor den fatalen Möglichkeiten des Rückfalls in die Benutzung dieser Methodik warnen, nicht vor dir oder deinem Glauben.
@SilentWarrior:
'Gott sagte, er habe den Menschen nach seinem Bilde geschaffen. Der erste Mensch war ein Mann, ergo war Gott auch ein Mann'
Der syllogistische Zirkelschluss ( oder um im Kontext zu bleiben : der Teufelskreis, Circulus vitiosus ...
http://www.daswillichwissen.de/Circulus_vitiosus ) dabei ist das erste Axiom 'Gott sprach', denn das ist nicht voraussetzungsfrei, eher schon: 'Der Mann der die Bibel schrieb, schrieb das Gott sagte ...'.
Dein Syllogismus:
1. Die Bibel ist Gottes Wort
2. Gott schuf den Menschen nach seinem Angesicht, der erste Mensch war ein Mann.
3. Gott ist ein Mann.
Gott ist also ein Mann , weil die Bibel Gottes Wort ist.
Warum ist aber die Bibel Gottes Wort ? Weil der Mann, der die Bibel geschrieben hat das gesagt hat. Warum hat er das gesagt ? Weil er ein Mann ist...
Du siehst, DAS ist sinnlos !
Sage einfach
ich glaube, dann kann dir kein noch so logischer Mensch deinen Glauben antasten - fängst du aber an deinen Glauben logisch erklären zu wollen, dann korrumpierst du höchstens die Logik, machst aber deinen Glauben ausserdem für jeden Logiker angreifbar, was du ihnen nicht gestatten solltest.......
Ah, was ein herrlicher Mittagsschwatz
Grüsse
B