Tja, jetzt ist es wieder soweit...
Es ist 7.30, die ersten Vögel singen, es ist bitterlich kalt. Ich sitze auf meinem Balkon, den Bildschirm zu mir gedreht. Langsam wird es wieder hell, und die Realität zerbröckelt schon langsam, aber stetig, wie die letzten zwei Stunden. Es tun sich immer mehr Risse auf, durch die das klebrige Nichts tropft. Die Kälte treibt den Nebel in meinem Kopf langsam auseinander. Ein Griff in den Kühlschrank - eiskaltes Bier stellt den dämmerigen Zustand wieder her, der auch schon in den letzten 13 Stunden da war. Meine Finger verfehlen ständig die Tasten. Ein Nachbar geht vorbei, er grüßt, aber nur flüchtig. In Gedanken ist er schon auf der Arbeit. Er geht schnell - hat er schon wieder verschlafen? Was wird er seinem Chef sagen? Aber egal, jezt ist er schon wieder weg. Kennt ihr das Gefühl der totalen Gleichgültigkeit, bei dem man andererseits doch wieder interessiert ist? Es ist ein seltsames Gefühl, ein Dämmerzustand. Nebel, der hier und da einen Gedanken kurz freigibt, dem man dann nachhängt, um ihn kurz danach wieder loszulassen und einen anderen Fetzen aufzuschnappen. Jedoch sieht man alles mit erstaunlicher Klarheit, obwohl der Blick getrübt ist. In solchen Momenten kommen einem die seltsamsten Gedanken. Ich weiß nicht, ob das nur mir so geht, aber in diesem Augenblick habe ich das Gefühl, dass die Welt nur Illusion ist, die Realität ein Schleier, der an manchen Stellen reißt. Ich bemerke grad, dass ich den Kühlschrank offen gelassen habe, und hol mir bei der Gelegenheit noch ein Bier. Die Nacht ist jetzt fast zu Ende, doch ich kann noch lange nicht schlafen. Es ist etwas in mir, Drang, etwas zu tun. Auch jetzt, wo ich diesen Text schreibe, bin ich voller erstaunlicher Vitalität, was nach dieser Nacht verwunderlich ist. Stimmt es, dass es Lebensaufgaben gibt? Bestimmt nicht. Doch was mache ich eigentlich auf diesem Planeten - eine Frage, die mich doch sehr interessiert. Ich kann mich nicht erinnern, jemals drum gebeten zu haben, dass ich geboren werde. Aber wo ich schon mal da bin, mach ich halt das, was mir gefällt. Aber ist das alles nicht zu komplex? Das Universum macht sich doch nicht die Mühe zu expandieren, nur um dann wieder zu einer Singularität zu werden und alles von vorn zu beginnen. Überhaupt, wozu hat das Universum eigentlich Leben entwickelt, wo es es doch sowieso nur stört. Aber lassen wir das, oder: Irgentwie erinnert mich das pulsierende Universum an ein Herz... vielleicht lebt es ja doch? Wie schon Stephen King schrieb: "Die Welt des Revolvermanns hatte sich weiter gedreht und war nur ein Atom in einem purpurnen Grashalm, der langsam verdorrte". Planetensysteme mit Atomen zu vergleichen, ist irgendwie nicht schlecht, aber jetzt hol ich mir erstmal noch ein Bier. Es ist jetzt schon kurz nach acht, dieser Text schreibt sich sehr langsam. Auf dem Weg zum Kühlschrank habe ich gerade meinen Fernseher von Tisch gerissen, aber er funktioniert noch (Erklärung: der kürzeste Weg zum Kühlschrank führt Über den Tisch). Ich habe mich inzwischen wieder reingesetzt, da es mir auf dem Balkon zu kalt war. Noch mal zurück zum Universum... Irgendwie ist es überflüssig. Was macht es denn großartig? Es wächst und schrumpft, um dann wieder zu wachsen. Aber warum? Für wen? Eins muss man ihm ja zu Gute halten, ohne es wärn wir nicht da, wo wir sind. Aber passiert das alles nur wegen uns, oder sind wir nur ein Nebeneffekt? (Da fällt mir was ein: Sagt die Erde zum Mond: "Ich hab Homosapiens". Sagt der Mond: "Das geht vorbei" - Mmh, irgendwie ist das lustiger, wenn man das Bild dazu sieht...) Aber egal, ich bin der Realtität wieder mal entwichen, sie hat mich verfolgt, doch ich war schneller. Ich finde, das braucht der Mensch ab und zu mal, um irgendwie Abstand zum Leben zu finden. Naja, ich glaub, ich geh jetzt mal pennen, wir habens nämlich schon knapp 8 Uhr, und Bier ist auch kaum noch was da. Die plötzliche Aktivität von eben ist entwichen und hing wahrscheinlich nur mit der kalten Luft zusammen.
Also dann, tschüß
- Toxo, Hugi.ger Ausg.2